Charta von Swiss Mental Healthcare

Version Februar 2017*

A) Zwecksetzung

Swiss Mental Healthcare ist die Dachvereinigung der CEO’s, Chefärzte und Pflegedirektoren der institutionellen Psychiatrie in der Schweiz und versteht sich als die Ansprechpartnerin für klinikübergreifende Fragen der institutionellen Psychiatrie gegenüber allen Akteuren im Spitalwesen. Mit dieser Allianz streben die Verantwortlichen der psychiatrischen Kliniken und Dienste an, bei zentralen Herausforderungen der institutionellen Psychiatrie möglichst ,,mit einer Stimme“ zu sprechen.

B) Arbeitsweise

Zur Erreichung ihrer Ziele sucht und pflegt Swiss Mental Healthcare die Zusammenarbeit mit allen relevanten Partnern im Spital- und Gesundheitswesen. Eine besonders enge Zusammenarbeit pflegt sie mit dem Schweizerischen Spitalverband H+ und der Association Romande des Institutions Psychiatriques ARIP.

C) Schwerpunktthemen (in Umsetzung der Aufgaben gemäss Art. 3 Statuten SMHC)

  1. Swiss Mental Healthcare setzt sich ein für eine adäquate, qualitativ hochstehende Versorgung der Bevölkerung.

    Die Schweiz verfügt über ein im internationalen Vergleich fortschrittliches und qualitativ überdurchschnittliches Psychiatrisches Versorgungssystem. Medizinischer Fortschritt und gesellschaftlicher Wandel führen auch in der Psychiatrie zu einer permanenten Weiterentwicklung von Behandlungsmethoden und Versorgungsstrukturen. Obwohl jede zweite Person im Laufe ihres Lebens einmal an einer psychiatrischen Störung leiden wird, rechnet kaum jemand damit und steht daher den entsprechenden Versorgungsstrukturen emotional weniger engagiert gegenüber als z.B. der Unfallchirurgie oder Geburtshilfe. Hinzu kommt, dass sich die Direktbetroffenen kaum selber für eine qualitativ hochstehende Versorgung engagieren können.

  2. Swiss Mental Healthcare unterstützt eine leistungsorientierte und -gerechte Finanzierung psychiatrischer Leistungen mittels gezielter Informationen und belegbaren Fakten.

    Die aktuelle Diskussion um notwendige Einsparungen im Gesundheitswesen birgt für die Psychiatrie besondere Gefahren, da die Psychiatrie in verschiedenen Belangen spezielle Bedürfnisse hat und anderen Gesetzmässigkeiten gehorcht als somatische Disziplinen. Diesen Besonderheiten gilt es Rechnung zu tragen. Pauschale, lineare und eindimensionale Sparvorgaben werden diesen Gesetzmässigkeiten nicht gerecht. Ohne Berücksichtigung psychiatrischer Behandlungskonzepte ist mit einem Verlust der Versorgungsqualität zu rechnen.

  3. Swiss Mental Healthcare vertritt die Interessen ihrer Mitglieder, namentlich durch die Partizipation an politischen Meinungsbildungsprozessen.

    Neben der stationären Versorgung und der Versorgung über Freipraktizierende  kennt die institutionelle Psychiatrie als einziges Fachgebiet einen subsidiären, ambulanten Versorgungsauftrag mit Aufnahmepflicht. Mithilfe dieses dualen Versorgungssystems gelingt es Psychiatriebetten zu reduzieren und zuvor dauerhospitalisierte Patienten in ihren Wohngemeinden zu rehabilitieren und in der Gesellschaft zu reintegrieren. Der Stellenwert der ambulanten Psychiatrischen Versorgung wird in Zukunft noch steigen. Dienste, zu denen auch die Tageskliniken gehören, fristen allerdings ein Sonderdasein und sie bleiben in gesamtmedizinischen Systemen, wie z.B. dem aktuellen Arzttarif TARMED oft unberücksichtigt. Die Mitarbeit bei der Planung von ausgewogenen patientenzentrierten Strukturen im ambulanten, tagesklinischen und stationären Bereich gehört  zum Wirkungsfeld von Swiss Mental Healthcare.

  4. Swiss Mental Healthcare engagiert sich für eine respektvolle Wahrnehmung der Psychiatrie in der Gesellschaft. Dies betrifft die psychisch Kranken selber, deren Angehörigen sowie die in der Psychiatrie tätigen Fachpersonen und Institutionen.

    Der Gang zum Psychiater oder gar in eine Psychiatrische Klinik ist nach wie vor oft schambesetzt, nicht frei von Widerständen und für die Angehörigen mit einer grossen Belastung verbunden – ein Phänomen, das in dieser Art keine andere medizinische Disziplin kennt. Jegliche Form der Einschränkung des freien Zugangs zu dieser Fachdisziplin würde weitere Hindernisse für die Inanspruchnahme notwendiger psychiatrischer Behandlungen aufbauen und die auch heute noch besorgniserregend tiefe fachärztliche resp. adäquate Behandlungsquote psychischer Störungen senken. Zudem werden gemäss internationalen Studien beispielsweise der Weltgesundheitsorganisation die Psychiatrischen Krankheiten, insbesondere die Affektiven Störungen (Depressionen) bis 2020 weltweit gesehen, die zweithäufigste Erkrankungsart überhaupt sein. Diese weite epidemiologische Verbreitung bedarf der entsprechenden Mittel.

  5. Swiss Mental Healthcare fördert den beruflichen Nachwuchs und trägt durch ihr Engagement in der Aus-, Fort- und Weiterbildung sowie in der Forschung zur Weiterentwicklung des Fachgebietes bei.

    Personalmangel bei Ärzten und Pflegenden sind schon heute in vielen Bereichen des medizinischen Versorgungssystems Tatsache. In der Psychiatrie stellt sich dieses Problem verschärft. Zum einen sind hier aus naheliegenden Gründen gute Sprachkenntnisse und Vertrautheit mit den hiesigen soziokulturellen Gegebenheiten noch wichtiger als anderswo, was der Personalrekrutierung im Ausland enge Grenzen setzt. Zum anderen empfinden viele medizinische Fachpersonen das Arbeiten in der Psychiatrie als wenig attraktiv. Der Personalmangel hat mittlerweile in der Psychiatrie ein systemgefährdendes Ausmass angenommen und lösungsorientierte Gegenmassnahmen sowohl bei den Fachärzten wie auch beim Pflegefachpersonal sind dringlich.
    Eine kontinuierliche Fort- und Weiterbildung der psychiatrisch Tätigen, sowie die Forschung in den Bereichen Behandlung, Pflege und Versorgung wird von Swiss Mental Healthcare als unabdingbar erachtet und gefördert.

Anhang: Schwerpunktspezifische SMHC-Projekte

a. ANQ, Qualität (in gemeinsamer Verantwortung der Klinikvertreter im ANQ-Vorstand und -Qualitätsausschuss)

b. Zwangsmassnahmen in der Psychiatrie, FU (Lead: P. Hoff, SVPC)

c. Nationales Tarifsystem Psychiatrie TARPSY (Lead: D. Bosshard, Vorsitzender SMHC-Task Force)

d. Nachhaltige Finanzierungsmodelle für Tageskliniken (Lead: M. Merz, VDPS)

e. Respektvolle Wahrnehmung (Lead: H. Müller, KPP)

f. Interprofessionelle Zusammenarbeit (Lead: M. von Dach, KPP und P. Hoff, SVPC)

* Die erste Charta SMHC von 2009 wurde vom VS SMHC an seiner Sitzung vom 28. Februar 2017 aktualisiert und mit den entsprechenden Konkretisierungsprojekten in einem Anhang ergänzt.